Befundvorlage Retznei: Villa, Vicus, Heiligtum
Neuerscheinung 2021

Die ausführliche Vorlage der Befunde und des Fundmaterials aus den Grabungen, die in den Jahren 2004 bis 2012 stattfanden ist erschienen! Die Fundstelle in Retznei wurde zum ersten Mal im Jahr 1873 untersucht, die mehrjährigen Grabungen durch ASIST brachten unzählige Erkenntnisse zur latènezeitlichen Bebauung, den frührömischen Holzbauphasen und den kaiserzeitlichen Bädern. Die Frage nach dem Charakter der Siedlung – Villa, vicus oder Heiligtum – ist zwar noch immer nicht endgültig geklärt, dafür ergaben sich zahlreiche Hinweise zu Chronologie, Ausstattung und Benutzung der Anlage. Zu beziehen beim Phoibos-Verlag (www.phoibos.at).

Retznei

Römergarten Retznei
Ein antiker Villengarten im modernen Zementwerk

Der in Retznei reichlich vorhandene Leithakalk ist ein Grund für die archäologisch mittlerweile gut nachgewiesen und erforschte keltische und römische Besiedelung. Exemplarisch für diese Periode wird im Jahr 2018 auf dem Areal des Zementwerks Lafarge ein römischer Garten errichtet, der im Stil eines antiken Villengartens Zier- und Nutzgarten in sich vereint. Ein daneben erbauter Kalkofen verdeutlicht die antike Technik des Kalkbrennens und zeigt die Wurzeln der heute in Retznei angewandten Technologie.

Retznei

Grabungen in Retznei
Keltisch-römisches Quellheiligtum

Der Ort Retznei ist aufgrund des Zementwerkes bekannt, das im Jahr 2010 sein 100 jähriges Bestehen feierte. Bekannt sind die dortigen Steinbrüche auch schon länger aufgrund der Fossilien, wie den Fischzähnen, Seeigeln und Krebsen, die sich immer wieder im Kalkstein finden. Inzwischen ist Retznei auch als archäologische Fundstelle bekannt, deren Wichtigkeit sich in den letzten Jahren deutlicher herauskristallisiert hat. Die Grundlage aller dieser Aspekte bildet die Verfügbarkeit des qualitätvollen Steins, der schon vor 2400 Jahren für die Kelten und später die Römer den Ausschlag gegeben haben dürfte, hier eine Siedlung anzulegen.

Retznei

Am Fuße des Rosenberges 2004

Seit mehreren Jahren schon finden hier archäologische Grabungen statt. Die Entdeckung, mit der diese Untersuchungen begannen, gehört schon in das 19. Jahrhundert, als ein Bauer beim Pflügen seines Feldes auf Ziegel, Steine und Tonscherben stieß. Damals (in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts) erkannte man schon, dass es sich um eine Fundstelle der Römerzeit handeln müsse, ihre Bedeutung wurde allerdings nicht gesehen, und schon nach kurzer Zeit gerieten die Funde in Vergessenheit. Erst im Jahr 2004 konnten Archäologen wieder den Spaten ansetzen, und seitdem werden regelmäßig wertvolle Funde ans Tageslicht befördert und  spannende Entdeckungen gemacht. Eine luxuriöse römische Villa wird Schritt für Schritt ausgegraben. Heute noch erhalten sind die Fundamente und Böden, nur in machen Fällen Teile der aufgehenden Mauern, da – noch lange nachdem das Gebäude verlassen und dem Verfall preisgegeben wurde – das wertvolle Baumaterial zumeist mitgenommen und an anderer Stelle weiter verwendet wurde.

Retznei

Broschen und Münzen

Die Funde, die in den Schuttschichten aus den umgestürzten Mauern und den Dächern gemacht werden, gehören teilweise der Innenausstattung oder dem Mobiliar an (z. B. ein Elfenbeinrelief einer Liege), andere Funde wie Schmuckstücke, Broschen und Münzen gingen vor 2000 Jahren verloren und werden nun von uns gefunden. Besonders wertvoll für uns sind die zahlreichen bemalten Fragmente des Wand- und Deckenputzes sowie der Stuckleisten. Sie gehören zu den Innenräumen des palastartigen Gebäudes sowie zu der dazugehörigen Thermenanlage. Die Bemalung ist auch heute zumeist gut erhalten und leuchtend, was nach 2000 Jahren durchaus erstaunlich ist. Die Farbpigmente, aus denen die Farben angerührt wurden, die dann auf den feuchten Kalkputz aufgetragen wurden, konnten teilweise mit naturwissenschaftlichen Analysen bestimmt werden: Im Fall des sog. Ägyptisch-Blau bestehen diese aus Silicium, Kupfer und Aluminium (Bestimmung am Institut für analytische Chemie der Karl-Franzens Universität Graz).

Retznei

Opus caementitium

Zur Herstellung dieser Farbe wurden Quarzsand, zermahlene Kalksteine und Bronzespäne mit Pflanzenasche und Wasser vermengt, daraus kleine Kugeln geformt, die anschließend bei großer Hitze  gebrannt wurden. Andere Farben bestanden aus Mineralien, wie das arsenhältige Orangerot, das aus Realgar (Rubinschwefel) gewonnen wurde. Mauermörtel sowie Putze bestanden aus Kalkmörtel, der verschiedene Zuschlagstoffe enthielt. Das römische opus caementitium, von dem sich auch unser Wort Zement herleitet, zeichnet sich durch die Beifügung von hydraulischen Zuschlagstoffen aus. In Italien, wo die Römer die Technik seit dem 2. Jh. v. Chr. kannten, fügten sie dem Mörtel Pozzulanerde (vulkanische Erde vom Vesuv) bei, wodurch der typische römische Beton entstand. In Retznei wurden die Estriche sowie die Wandputze, die in der Sockelzone und in den Badetrakten generell stärker der Feuchtigkeit ausgesetzt waren, durch Zugabe von Ziegelmehl als hydraulische Komponente zusätzlich verstärkt.

Grabungen in Retznei

Übergang von der Keltenzeit zur Römerzeit

Eine der neuesten und spannendsten Entdeckungen stellte die Auffindung einer keltischen Siedlung dar, die direkt unter den römischen Fußböden gefunden wurde. Die Funde sind vom wissenschaftlichen Standpunkt auch überregional wichtig, da sie exemplarisch die historischen Prozesse am Übergang von der Keltenzeit zur Römerzeit und der Spätantike beleuchten.Aber handelt es sich bei dem Bau um eine Villa, wie bisher immer angenommen wurde? Diese Frage ist derzeit spannend, da einige Funde und vor allem auch der Grundriss der ausgegrabenen Gebäude darauf hindeuten, dass es keine einfache private Villa war, sondern ein Bau, der auch über eine kultische Funktion verfügte.

Retznei

Aufgeworfenen Fragen erforschen

Den Charakter dieser Fundstelle genauer zu untersuchen und den hier aufgeworfenen Fragen auf den Grund zu gehen, gehört zu den Zielen des Projektes, das auch in den kommenden Jahren fortgesetzt werden soll. Die Arbeiten werden im Rahmen eines Projektes, gefördert vom Arbeitsmarktservice, dem Land Steiermark, dem Europäischen Sozialfonds und der Gemeinde Retznei durchgeführt. Dank der Bereitschaft der Lafarge-Perlmooser GmbH, die Grabungen auf dem Grundstück in Retznei zu ermöglichen, konnten im Jahr 2010 zwölf Mitarbeiter beschäftigt werden!

Grabungen in Retznei

Museum - Villa Retznei

Museum - Villa Retznei

Villa Retznei 2012

Villa Retznei 2012

Archäologische Spurensuche in Retznei

Vom keltischen Gehöft zum römischen Quellheiligtum

Museumseröffnung 2014

Urgeschichtliche, keltische und römische Funde aus der Villa


Grabung Retznei


Dieses Projekt wird aus Mitteln des AMS, dem Europäischen Sozialfonds und des Landes Steiermark gefördert.